Am Justizgebäude steht „Jedem das Seine“: Höcke-Anhänger attackieren Gericht wegen KZ-Spruch

Der AfD-Politiker ist in Halle angeklagt

Rechtsextremisten stören sich an einer historischen Fassaden-Inschrift des Landgerichts Halle

Rechtsextremisten stören sich an einer historischen Fassaden-Inschrift des Landgerichts Halle

Foto: picture alliance / imageBROKER

Halle (Sachsen-Anhalt) – Seit Mitte April läuft der Strafprozess gegen Thüringens AfD-Fraktionschef Björn Höcke (52). Seine Unterstützer stänkern mit allen Mitteln gegen die Justiz. Jetzt machen sie dem Landgericht Halle sogar die historische Fassade des Gebäudes zum Vorwurf!

„Jedem das Seine“ – diese Inschrift befindet sich in Stein gemeißelt unter einem Fenster. AfD-Sympathisanten unterstellen der Justiz in Sachsen-Anhalt deshalb den Gebrauch von Nazi-Vokabular.

Betrachtet man die Fassade des Gebäudes aus dem Jahr 1905, fallen die bunten Verzierungen auf: Wappenbilder, Büsten von Persönlichkeiten, Schriftzüge. An einem Erker steht „Rache ist neues Unrecht“, über dem Eingang „Recht muss Recht bleiben“. Und unter dem Fenstersims eines Gerichtssaals in grauem Stein: „Jedem das Seine“.

Im Internet-Video setzen AfD-Sympathisanten die Höcke-Anklage mit dem römischen Rechtsspruch gleich

Im Internet-Video setzen AfD-Sympathisanten die Höcke-Anklage mit dem römischen Rechtsspruch gleich

Foto: Thilo Scholtyseck /BILD

In Videos auf Telegram verbreiten die Rechtsextremisten: „Dieser Spruch, der erst mal genauso harmlos daherkommt wie ‚Alles für Deutschland‘, stand am Tor des KZ Buchenwald.“

Sie fordern scheinheilig: „Dann muss der Justizpalast wohl abgerissen werden. Wir müssen schließlich konsequent sein und können solche Nazi-Parolen nicht dulden.“

Björn Höcke steht vor Gericht, weil ihm vorgeworfen wird, die Losung der Sturmabteilung (SA) der NSDAP „Alles für Deutschland“ gebraucht zu haben. Mit dem Hinweis auf die Inschrift an der Gebäudewand versuchen nun rechte Verschwörungstheoretiker, den Vorwurf gegen Höcke zu relativieren.

Diese Inschrift ließen die Nazis 1937 am Konzentrationslager Buchenwald so anbringen, dass sie von den Lagerinsassen gelesen werden konnte, also von innen

Diese Inschrift ließen die Nazis 1937 am Konzentrationslager Buchenwald so anbringen, dass sie von den Lagerinsassen gelesen werden konnte, also von innen

Foto: Karina Hessland-Wissel
Höcke und seine Verteidiger am ersten Prozesstag im Justizzentrum Halle

Höcke und seine Verteidiger am ersten Prozesstag im Justizzentrum Halle

Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Die historische Wahrheit

Richtig ist: Das Landgericht wurde 1905 – somit lange vor der Machtergreifung der Nazis – eingeweiht. „Suum cuique“ – oder „Jedem das Seine“ – war ein Ausspruch, der in der römischen Rechtstradition auf Gerechtigkeit abzielte.

Die Juristin Fatina Keilani (56) erklärt dazu in der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ): „Gemeint ist, dass jeder bekommen soll, was ihm zusteht, was er verdient hat, kurz: Es geht um Gerechtigkeit. Doch dann kaperten die Nazis den Spruch.“

Das NS-Regime hat den Spruch in sein Gegenteil verkehrt. 1937 baute die SS (Schutzstaffel) das Konzentrationslager Buchenwald auf dem Ettersberg bei Weimar (Thüringen). Der Spruch „Jedem das Seine“ wurde im schmiedeeisernen Tor des Häftlingslagers angebracht. Die menschenverachtende Aussage ist eindeutig: Jeder bekommt, was ihm – der faschistischen Logik entsprechend – zusteht. Zu lesen war der Schriftzug von innen, damit er für die Lagerinsassen zu lesen ist.

Der Prozess gegen Björn Höcke wird am 3. Mai in Halle fortgesetzt.

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