(Rom) Das Trauerspiel um die Zerschlagung des Ordens der Franziskaner der Immakulata ist um ein weiteres Kapitel reicher. Der neue mächtige Mann im Orden, Pater Alfonso Bruno, der vom Apostolischen Kommissar Pater Fidenzio Volpi zum Generalsekretär des Ordens gemacht wurde, läßt in seinem ganz persönlichen Kampf die Carabinieri gegen Kritiker vorgehen. Dieses Schicksal ereilte vor kurzem den bekannten Kunst- und Kulturkritiker Francesco Colafemmina. Colafemmina gründete 2007 unter dem Pontifikat Benedikts XVI. den Blog Fides et Forma, mit dem er bei der Wiedergewinnung eines Verständnisses für die Heiligkeit mithelfen wollte. Dem Pontifikat von Papst Franziskus begegnete er bald mit großer Skepsis. Die Artikel wurden immer weniger, das Schweigen dazwischen immer länger. Im vergangenen Jahr widmete er mehrere Artikel dem Schicksal der Franziskaner der Immakulata, das symptomatisch für den Wechsel an der Spitze der Kirche scheint.
Kritik übte er vor allem an Pater Alfonso Bruno, der bereits unter Ordensgründer und Generalminister Pater Stefano Maria Manelli der Ordensleitung angehörte und dort für die gesamte Öffentlichkeitsarbeit zuständig war. Eine Position, die er weidlich nützte, um ab Beginn des römischen Eingreifens Verwirrung zu stiften und Journalisten einseitig zu informieren. Er war auch der Informant, der die kommissarische Verwaltung des Ordens als erster publik machte und damit die öffentliche Diskussion zunächst in eine bestimmte Richtung lenken konnte. Früh wurde in ihm der Kopf der Rebellen ausgemacht, die unter Papst Benedikt vergebens einen Umsturz versuchten. Colafemmina wirft ihm vor, über längere Zeit gezielt gegenüber vatikanischen Stellen ein verzerrtes „pelagianisches“ Bild seiner arglosen Mitbrüder und vor allem der Ordensgründer gezeichnet zu haben. Um so schneller ging es dann unter dem neuen Papst (siehe eigenen Bericht Kopf der Dissidenten wird neuer Generalsekretär der Franziskaner der Immakulata).
Pater Bruno kontrollierte alle offiziellen Internetauftritte des Ordens und betrieb nebenbei seine eigene Internetseite mediatrice.net, auf der er seltsame „pietistisch-franziskanische“ Texte veröffentlichte und den Jesuiten Pater Paolo Dall’Oglio lobte, einen Islamwissenschaftler, der 1992 ein altes, aufgelassenes Kloster in Syrien besiedelte und dort die Gemeinschaft al-Khalil für den christlich-islamischen Dialog gründete. Al-Khalil heißt „Freund Gottes“, ein Beiname, der sowohl in der biblischen als auch der koranischen Tradition für Abraham gebraucht wird. Pater Dall’Oglio, der die Regierung Assad der „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ bezichtigte, forderte im Zuge des syrischen Bürgerkriegs allen Ernstes den Einsatz chemischer Waffen, die von den (meist islamistischen) Rebellen gegen die Regierung von Staatspräsident Assad eingesetzt werden sollten. Die syrische Regierung verwies ihn wegen seiner Agitation des Landes. Dall’Oglio mußte Syrien 2012 verlassen, was ihn nicht stiller werden ließ. 2013 kehrte der Jesuit illegal nach Syrien zurück und wurde am 29. Juli desselben Jahres in der Stadt ar-Raqqa von Islamisten des Islamischen Staates im Irak und der Levante (ISIS) entführt. Seither fehlt jede Spur von ihm.
Auf der Facebook-Seite des Ordens veröffentlichte der PR-tüchtige Pater Bruno vor allem Fotos von sich selber. So auch Ende Juli 2013 beim Weltjugendtag in Rio de Janeiro: Pater Alfonso Bruno setzte sich in allen Posen in Szene, während in Rom die Bestrafung seines Ordens begann. Bestraft wofür? Weil er durch viele Berufungen blühte? Weil er ordensintern den Alten Ritus pflegte? Weil er in der Seelsorge birituell war?
Die Begegnung Colafemminas mit den Carabinieri (die Carabinieri, eigentlich eine Militärpolizei, unterstehen dem Verteidigungsministerium, erfüllen aber Polizeiaufgaben im Auftrag des Innenministeriums) wurde durch den Vatikanisten Marco Tosatti bekannt, der sich unter Papst Franziskus zu einer der wenigen aufmerksamen und kritischen Stimmen in einem allgemeinen Jubelchor entwickelt.
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FFI: Anzeigen, Carabinieri und Zensur
von Marco Tosatti
Aus den USA wurde uns der Text eines Briefes zugeschickt, in dem der katholische Kunst- und Kulturkritiker Francesco Colafemmina, Betreiber des in kirchlichen Kreisen sehr bekannten Internetblogs Fides et Forma seine Geschichte erzählt. Er wurde mit seiner Frau von den Carabinieri wegen einer Verleumdungsklage vorgeladen, die Pater Alfonso Bruno, der rechte Arm des Apostolischen Kommissars der Franziskaner der Immakulata eingebracht hatte. Das ist Italien, das ist der Vatikan. Der Brief ist in Englisch gehalten, die Übersetzung stammt von uns.
Der Autor stellt seinen Blog wie folgt dar: „Philologe und apulischer Schriftsteller mit der Leidenschaft für die sakrale Kunst und Architektur. Für jene Kunst, die authentisch die Katholizität und die Tradition der Kirche verkörpert. Heute leben wir in einer verwirrten westlichen Gesellschaft, die dekadent und gedankenlos ist. Wir leben in einer Welt, in der die wirre Schönheit nur ein kurzes Aufflackern ist, ein flüchtiger Moment, bestimmt sich sofort im Nichts aufzulösen, verdammt vom großen Strom der Bilder, der Sensationen, der Emotionen aufgesogen zu werden, der den Alltag zu einem farblosen, langweiligen, sich wiederholenden Film werden läßt, den man bereits gesehen hat. Seit der Gründung von Fides et Forma [2007] war es mein Ziel, jener alten Seele der Katholizität eine Stimme zu verleihen, die unter den Decken der Aggiornamento-Rhetorik verschüttet wurde. Eine seltsame Dynamik mit der Tendenz, die Identität der Kirche in einer vagen irenischen Idee von Modernität und Fortschritt aufzulösen, hatten auch die sakrale Kunst und Architektur zu bloßen, sinnentleerten Larven reduziert.“
Ein Blog also traditioneller Ausrichtung, der kraftvoll gegen die kommissarische Verwaltung der Franziskaner der Immakulata Stellung bezog. Eine kommissarische Verwaltung, ohne daß irgendeine konkrete Anklage gegen sie erhoben wurde, außer einem vagen „ Krypto-Lefebvrismus“, und mit einer Vorgehensweise, die – laut dem was in den Medien bekannt wurde – weit von der viele Male von Papst Franziskus proklamierten Barmherzigkeit entfernt ist.
Hier das Schreiben, das wir auf Englisch erhalten und übersetzt haben
Lieber Freund,
entschuldige die Verspätung doch die vergangene Woche ist mir etwas sehr Trauriges widerfahren. Meine Frau wurde von den Carabinieri vorgeladen, um verhört zu werden. Meine Frau ist schwanger und wurde durch diese Vorladung sehr beunruhigt. Am folgenden Tag sind wir zu den Carabinieri gegangen, die sie verhörten. Dann verhörten sie auch mich. Die Einvernahme konzentrierte sich auf unseren Internetanschluß und die Telefone in unserem Haus. Meine Frau hat den Vertrag mit der Telefongesellschaft und für das Internet abgeschlossen, weshalb sie angehört wurde.
Nach einer Stunde Verhör und völlig banalen Fragen, wie „Haben Sie einen Router? Haben Sie ein Antivirus-Programm? Wieviele Geräte besitzen Sie? …“ wollte ich dann wissen, warum dieses ganze Procedere. Sie antworteten: „Eine Minute …“, und dann stellten sie eine neue Frage: „Kennen Sie Pater Alfonso Maria Bruno?“
Mit wenigen Worten: Es scheint, daß dieser Pater Bruno eine Verleumdungsklage gegen mich eingebracht hat. Und die Carabinieri versuchten auf diese seltsame Art und Weise in Erfahrung zu bringen, ob die von mir und in meinem Namen geschriebenen Artikel tatsächlich von mir stammten. Deshalb wurde auch meine Frau verhört, was mir Geschichten aus dem Sowjetregime in Kambodscha in den Sinn kommen ließ … Letztlich weiß ich nicht, ob solche Dinge Aufgabe der Carabinieri sind.
Mir wurde nicht erlaubt, den Text der Anzeige zu lesen. Der Offizier war aber so freundlich, mir zu erklären, daß Pater Bruno eine mehrere Seiten lange Anzeige geschrieben hatte, in der er mich beschuldigte, ihn „als Mensch und Ordensmann“ verleumdet zu haben, indem ich behauptete, daß er ein „Verräter“ ist.
Ich wurde gebeten, zu bestätigen, daß die beiden Artikel auf Fides et Forma von mir stammten.
https://fidesetforma.blogspot.it/2013/09/p‑alfonso-bruno-neo-segretario-dei-ffi.html
https://fidesetforma.blogspot.it/2013/09/lobby-tradizionalista-o-ipocrisia-degli.html
Ich habe jedenfalls mit meinem Anwalt die beiden Artikel durchgesehen, doch sie enthalten nichts Falsches. Nicht ein Wort, das „verleumderisch“ sein könnte, nur zwei Dokumente: eines unterschrieben von Pater Bruno, in dem er sich über den Heiligen Stuhl beklagt wegen der Visitation. Und eine Kopie des „Who is“, aus der hervorgeht, daß die internetseite mediatrice.net auf seinen Namen angemeldet ist.
Ich habe vier Briefe an die vatikanischen Behörden und den Papst geschrieben. In Italien, auch wenn derzeit erst eine Voruntersuchung stattfindet, wird Verleumdung mit einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten bis drei Jahren und einem Strafgeld geahndet, auch wenn am Ende – ausgenommen Guareschi – nicht mit Gefängnis bestraft wurde. Das Ganze erscheint dennoch verrückt.“
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Fides et Forma